Dieser Beitrag beschäftigt sich damit, wie sich der Brunnenmarkt und der Yppenplatz für Anrainer*innen und Besucher*innen in den letzten 60 Jahren geändert hat, aus der Perspektive einer „Brunnenmarktliebhaberin“.
„Meine eigenen Erinnerungen gehen ungefähr in die 60er Jahre zurück, wo ich als Kind mehrmals wöchentlich am Brunnenmarkt war.“

Meine Interviewpartnerin wurde 1956 in Wien geboren, und lebt seither, mit Ausnahme der Jahre 1976 bis 1992, in verschiedenen Wiener Wohnungen, jedoch immer in der Nähe des Brunnenmarktes. Sie besucht den Markt regelmäßig um alltägliche Einkäufe zu tätigen, ihre Freizeit zu verbringen und soziale Kontakte zu knüpfen bzw. zu pflegen. Da sie dies seit ihrer Jugend macht, hat sie die Veränderungen am Markt sehr gut mitbekommen, und verfügt demnach über ein umfassendes Wissen über das Brunnenviertel.
Der Brunnenmarkt und der Yppenplatz haben sich, aus ihrer Sicht, in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Lokale, Geschäfte und Stände kamen und gingen genauso wie deren Betreiber*innen. Vor allem der Rückgang der Gemüse- und Obststände und das langsame Verschwinden der alten, „urigen Gaststätten“ zugunsten einer vielfältigeren, teilweise auch hochpreisigen Gastronomie, sind für sie auffallend.

„Der Markt ist die Lebensader des Grätzls.“
Obwohl es durch die Gentrifizierung des Brunnenviertels zu einer Erhöhung der Wohnungs- und Mietpreise gekommen ist, hat sich dies noch nicht durch eine Änderung der Klientel der Marktbesucher*innen bemerkbar gemacht. Sehr wohl hat sich der Yppenplatz verändert, der sich vom Brunnenmarkt sehr unterscheidet. Beobachtbar ist dies durch die Zunahme von gastronomischen Betrieben, wobei auch hier urtümliche Lokale, wie das Cafe Engelmayer, verschwunden sind. Weiters lässt sich nicht nur den Brunnenmarkt und Yppenplatz thematisch voneinander unterscheiden, sondern der Brunnenmarkt selbst in zwei Teile differenzieren. Diese Differenzierung basiert auf den Angeboten der jeweiligen Stände. So teilt sich der Brunnenmarkt in die Stände, die von der Thaliastraße bis zur Neulerchenfelderstraße reichen, die wenig Gastronomie und mehr Fleischstände beherbergen, und die Stände, die von der Neulerchenfelderstraße bis zum Yppenplatz reichen. Letzterer Teil umfasst Stände, die sich der syrische Geschäftsmann Mammoud sowie der Erdogannahe Kent-Eigentümer Tütüncü untereinander aufteilen.
„Seit einiger Zeit dürften manche Reiseführer den Brunnenmarkt entdeckt haben: […] Beim Würstlstandl hat ein findiger Reiseveranstalter sogar ein „Degustationsmenü“ organisiert. Da kosten dann US-Amerikaner Leberkas und Würstl mit Saft.“
Die Veränderungen waren jedoch nicht nur auf Brunnenmarkt und Yppenplatz begrenzt, sondern machten sich im gesamten Brunnengrätzl bemerkbar. So verschwanden in der Neulerchenfelderstraße ein Großteil der Betriebe, und mit ihnen eine Vielfalt an Angeboten, denen meine Interviewpartnerin nachtrauert. Doch Veränderungen bringen Neues, die die „Lebensader des Grätzls“ frisch hält. Der Brunnenmarkt, der Yppenplatz, das Grätzl, der Bezirk – die gesamte Stadt Wien wird sich weiterwandeln und von den Bürger*innen geprägt werden. Wie dieser Wandel aussieht, liegt in den Händen der Bewohner*innen.
Bilder:
- Werner Neuwirth Privatsammlung
- Österreichische Nationalbibliothek. Siegenfeld, Hans. Wien 16, Brunnengasse (1963). Print. URL: http://data.onb.ac.at/rec/baa10003663
Text: Mark Deimel