Der Arbeitsalltag der Marktstandbetreiber

Im Zuge unserer Recherche zum Thema Zeitregime und dessen Auswirkungen auf das Leben der Marktstandler*innen, haben meine Kollegin Greta Egle und ich Wahrnehmungsspaziergänge und Interviews am Wiener Brunnenmarkt gemacht. Vor allem interessierte uns dabei der beschwerliche Alltag der Standler*innen, wie die Menschen am Markt in ihren zum Teil zwölf Stunden andauernden Arbeitstagen Pause machen, bzw. wie sie Platz für ihr Sozial- und Familienleben finden.
Viele migrantische Unternehmer*innen trotzen diesem Zeitregime tagein tagaus, bei Wind und Wetter, „da sie aufgrund der Sprachbarriere und ihrer Qualifizierung erschwerten Zugang zu anderen Bereichen am Arbeitsmarkt haben“ (Dlabaja, 2020: 9). Die folgenden drei Beispiele migrantischen Unternehmertums geben einen Einblick in den Alltag von Menschen, die am Wiener Brunnenmarkt arbeiten.

Maximilian Schimke während der Feldforschung am Yppenplatz, Copyright Greta Egle

Der beschwerliche Arbeitsalltag am Markt
Falafelstand Abu Alnoor

Der Falafelstand Abu Alnoor, Copyright: Maximilian Schimke

Der Falafelstand Abu Alnoor am Wiener Brunnenmarkt trägt die Standnummer 74. Riad Abu Alnoor ist 2015 aufgrund des Bürgerkrieges von Syrien nach Wien gekommen und führt seither seinen Marktstand für Falafel in der Brunnengasse.
Im gemeinsamen Gespräch mit Riad und einem Freund erfahren wir, dass der Arbeitsalltag am Markt und die damit einhergehende zeitliche Arbeitsstruktur das Leben von Riad fest bestimmt. Zwölf Stunden pro Tag mal sechs Arbeitstage pro Woche ergibt eine Summe von 72 Arbeitsstunden pro Woche:


„Der Arbeitstag beginnt von 8 in der Früh bis 8 in der Nacht. 12 Stunden das heißt er arbeitet jeden Tag. Nur am Sonntag ist Ruhetag.“
(Interview Alnoor: Zeile 5-6)

Pausen im Markstand
Der Marktstand von Rashad Rashidi

Der Marktstand von Rashad Rashidi, Copyright: Maximilian Schimke

Rashad Rashidi und sein Cousin führen seit nunmehr circa einem halben Jahr einen Marktstand für Fleischprodukte aller Art am Wiener Brunnenmarkt. Die beiden stammen aus Afghanistan, Rashad war auch dort schon als Fleischer tätig. Auf die zeitliche Tagesstruktur im Leben eines Marktstandlers angesprochen, berichtet er:

„Von 6 Uhr bis 18 Uhr ist der Markt offen und wir fangen auch um 6 Uhr an. Bis die Auslage fertig ist dauert es bis 9 Uhr und wir fangen an die Ware zu verkaufen.“

(Interview Rashidi: Zeile 17-18)

Anhand dieser Passage können wir die harte Realität bezüglich der Zeitstruktur im Arbeitsalltag von Rashad erkennen. Eine 70 – 80 Stunden Woche scheint die Normalität zu sein. 
Auf die Frage ob und wie er Pause macht, berichtet der Fleischer:

„Ja das ist eine gute Frage. Wir sind den ganzen Tag hier: Frühstücken und Mittagessen. Alles im Stand.“

(Interview Rashidi: Zeile 53-54)

Familien- und Sozialleben im Kontext des Zeitregimes
Der Marktstand von Ibrahim Hame

Der Marktstand von Ibrahim Hame Copyright: Maximilian Schimke


Ibrahim Hame ist Betreiber und Inhaber des Marktstandes 87 am Wiener Brunnenmarkt. Er ist Syrer und lebt seit circa fünf Jahren in Wien. Ibrahim verkauft auf seinem Marktstand arabische und österreichische Lebensmittel aller Art.
Auf unser Nachfragen, inwiefern die Familie in die Arbeit am Marktstand integriert ist, gibt uns Ibrahim einen schönen Einblick in die alltägliche Praxis eines Marktstandlers und wie das Zeitregime am Brunnenmarkt den Alltag der Familie bestimmt:

„Mein Bruder kommt z.B. Jetzt meine Frau, sie hat ein neues Baby bekommen. Und manchmal, wenn ich ihn brauche, ich rufe ihn an, er kommt und hilft mir, nur manchmal, nicht den ganzen Tag. Nicht jeden Tag z.B. manchmal brauche ich ihn, weil ich manchmal Termine habe oder Samstag brauche ich jemanden zum Helfen. Manchmal kommt er zu mir, hilft mit, aber an normalen Tagen, bin ich da.“
(Interview Hame: Zeile 73-77)

Literatur:

Dlabaja, Cornelia (2020): Migration als Teil der Stadtgeschichte im Wiener Brunnenviertel, überarbeiteter nicht veröffentlichter Tagungsbeitrag (Momentumkongress).

Interview mit Riad Abu Alnoor vom 26.11.2020

Interview mit Rashad Rashidi vom 14.12.2020

Interview mit Ibrahim Hame vom 14.11.2020

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