
Unter dem Motto „My story, her story, his story“ sammeln wir Geschichten von Marktstandbetreiber*Innen, Gastronom*Innen und anderen Geschäftsleuten über das Viertel, so wie BewohnerInnen. Im Rahmen des Seminars am Institut für Europäische Ethnologie unter der Leitung von Cornelia Dlabaja erforschen wir Arbeits- und Migrationsgeschichten im Wiener Brunnenviertel.
Vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftspolitischen Debatte nehmen wir Arbeits- und Migrationsgeschichten in der Stadt genauer in den Blick. Wien speiste schon in der Zeit der Monarchie aus unterschiedlichen Regionen seine Arbeitskraft, Kreativität und Wissen.
Spätestens seit der Phase der Industrialisierung ist Wien zu einer internationalen Metropole gewachsen, in der die Stadt auf Arbeitskräfte aus anderen Regionen angewiesen war. Bekanntestes Beispiel sind die Wienerberger Ziegelwerke in der Viktor Adler die menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen der Ziegelarbeiter aufdeckte und später zum Wegbegleiter einer ArbeiterInnen- und Sozialbewegung wurde. Mittels des sogenannten Raab-Olah-Abkommen warb Österreich auf Grund eines Arbeitskräftemangels türkische Arbeitskräfte an (vgl. Dlabaja 2015). Einige von ihnen wurden später ab den 1980er Jahren als migrantische UnternehmerInnen am Brunnenmarkt tätig und prägen diesen bis heute (vgl. Dlabaja 2016; 2020). Ihr Arbeitsalltag ist hart. Viele MarktstandbetreiberInnen stehen täglich um 3h30 auf und fahren zum Großmarkt um frische Waren einzukaufen. Ziel der LV ist es empirisch fundiert Arbeits- und Migrationsgeschichte als Teil der Stadtgeschichte (vgl. Akkiliç 2016) nachzugehen. Migration ist ein Motor für Stadtentwicklung und Ökonomie (vgl. Yildiz 2009; Parzer, Kwok 2013).
Gerade die aktuelle Covid19 Pandemie macht deutlich wie wichtig die Arbeit der sogenannten „SystemerhalterInnen“ ist. Viele von ihnen – wie im Bereich der Pflege und der Nahrungsmittelproduktion – pendeln von anderen Ländern nach Österreich um ihre Arbeit zu verrichten. Trotzdem wird das Migration gegenwärtig meist noch immer im Kontext von Integration diskutiert. Die gesellschaftlichen Debatten werden von politischen AkteurInnen mittels „Othering“ (vgl. Mecheril et al 2013) geframed um Wählerstimmen zu lukrieren. Initiativen wie das Archiv der Migration oder dem Museum für Migration setzen sich seit mehreren Jahren für ein gesellschaftliches Umdenken ein, bei dem Migration als Teil der eigenen Geschichte verstanden wird. Ausgangspunkt für das Seminar bildete der Besuch des Museums der Migration in die Schöne im Jänner 2020 und der Wunsch sich in einem Projekt mit Migrations- und Arbeitsgeschichte als Stadtgeschichte zu befassen. Trotz Pandemie und Lockdowns haben die Studierende spannende Beiträge verfasst, die Einblicke in das Arbeiten und Leben am Brunnenmarkt geben.
Text: Cornelia Dlabaja
Vier Arbeitsgruppen sammeln im Wintersemester mittels qualitativer Interviews, teilnehmender Beobachtungen, sowie Recherche in Archiven und Museen Geschichten über den Brunnmarkt:
Gruppe 1: Geschichten von Familienunternehmen am Markt setzt sich zusammen aus Franziska Feodora Eggen, Yonca Gärber, Julia Greithanner und Theresa Kapplmüller.
Gruppe 2: Produktionsprozesse am Markt setzt sich zusammen aus Caroline Eiber, Luzia Kronberger, Paula Schüler und Anna Umlauft. Die Gruppe verfolgt den Weg der Produkte auf dem Markt.
Gruppe 3: Arbeitsalltag und zeitliche Strukturen am Markt setzt sich zusammen aus Greta Egle, Christoph, Sarah Kristof und Maximilian Schimke.
Gruppe 4: Der Markt im Wandel setzt sich zusammen aus Gregor Akmann, Andreas Bonhardi, Mark Deimel, Theresa Egger und Antonia Saske.