Martktalltag zwischen Arbeit und Familie

In diesem Beitrag geht es um die Vereinbarkeit von Familie und Arbeit am Brunnenmarkt. Darum, wie Zeit geschaffen und sich ausgeholfen wird.

Es ist ein warmer, etwas grauer Nachmittag in Wien und ich fahre mit dem Rad zum Brunnenmarkt, wo einige Menschen ihr Mittagessen konsumieren und Gemüse- und Fleischverkäufer:innen eher eine Flaute zu haben scheinen. – Einen Moment, worum geht es in diesem Beitrag eigentlich?

Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, wie der Marktalltag wohl aussehen könnte und kam darauf, dass die Ständler:innen wohl von Früh bis spät an der Theke stehen würden. Ich sah all die Kinder, die am Yppenplatz umherlaufen und fragte mich, wann wohl die Verkäufer:innen Zeit für ihre Familie finden würden. Mein Interesse war geweckt und so machte ich mich an jenem Sommernachmittag auf den Weg mehr herauszufinden. Dabei begegnete ich vier Menschen, die sich Zeit nahmen mit mir zu reden und möchte hier ihre Erfahrungen und Umgangsweisen von Arbeitsalltag und Familie teilen.

Ich gehe also über den Brunnenmarkt und nutze die Gelegenheit der Mittagsflaute bei den Gemüse- und Fleischständen. Als Erstes komme ich mit Cem, einem 45-jährigen Gemüseverkäufer, ins Gespräch. Anfangs ist er und seine Kollegin etwas schüchtern, aber der Marktstandler von gegenüber, der zu Beginn bei ihnen steht sagt, die Aufgabe sei etwas für Cem und wir reden an der Seite des Standes. Die Verkäufer:innen kennen sich und gewiss unterstützt sich auch der ein oder andere, wie etwa beim Übersetzten von Türkisch zu Deutsch, damit ich mitreden kann.

„Ich komme abends heim. Kinder sind dann schon müde.“, sagt Cem.[1] Ich frage ihn ob seine Kinder meist schon im Bett seien, wenn er abends nach der Arbeit nach Hause kommt. „Nein, abends sehe ich sie. Meine Frau verbringt den Tag mit ihnen..“

So ähnlich läuft es auch bei Önder[2], einem Fleischveräufer, der jede Woche min. 40 Stunden arbeitet und seinen Sohn abends oder am Wochenende sieht. Seine Ehefrau arbeitet nicht im Angestelltenverhältnis, sondern kümmert sich um ihren gemeinsamen Sohn und den Haushalt. Noch können sie sich die Arbeitsaufteilung leisten, doch mit den ansteigenden Preisen im Allgemeinen und den sinkenden Fleischverkäufen am Markt müssen sie weitere Anstellungen in Erwägung ziehen. Önder lächelt, als er mir von deren Radausflug am Wochenende erzählt und meint 40 Stunden zu arbeiten sei ja normal, da müsse man sich halt mit den freien Stunden arrangieren. Jetzt geht es ihm vor allem darum, seinem Sohn eine gute Zeit zu verschaffen, nach dem der Teenager durch die Corona-Pandemie zwei Jahre seiner Jugend versäumt hat. Ich freue mich für Önder, dass er so geregelte Arbeitsstunden zu haben scheint, denn einige Marktständler:innen arbeiten täglich bis zu 12 Stunden am Tag. Wer würde den großen Aufwand vermuten, der hinter dem Verkauf steckt? Fragen kommen auf wie: Wann wird die Ware ausgelegt, wer räumt unverkauftes wieder weg und wie weit ist der Weg bis zu den Lagerhallen.

Zu all den verschiedenen Arbeitsschritten kommt auch noch der Arbeitsweg, da Önder nicht das Glück hat gleich ums Eck zu wohnen, wie manch andere Marktverkäufer:innen. Bei denen schauen dann auch hin- und wieder die Kinder für die Mittagspause am Stand vorbei.

Ich rede noch mit zwei weiteren Ständler:innen, u.a. mit Adine[3], einer der wenigen Frauen auf dem Markt. Sie hat ein erwachsenes Kind und eines, das noch zur Schule geht. Mich interessieren ihre Strategien im Besonderen, da ich mich frage, wer alles im Hintergrund agiert und sie unterstützt. Doch zu einem vertieften Gespräch kommt es leider nicht, da sie allein an ihrem Stand seht und die Produktion, wie den Verkauf gleichzeitig erledigt.

Nach den vier Interviews, die ich geführt habe, scheint es mir, als würden nicht nur die Arbeitsstunden, sondern auch die Umgangsweisen von Arbeits- und Familienalltag ziemlich variieren. Großeltern helfen oder brauchen bereits vermehrt Unterstützung und mit den heranwachsenden Kindern ändern sich die Aufgaben und die Arbeitsteilung. Es zeigt sich, dass es auf die eigenen Vorstellungen und Ressourcen zur Umsetzung ankommt und es doch mehr Unterschiede unter den Verkäufer:innen gibt. Der Anschein, sie seien sich so ähnlich, wenn sie hinter ihren Ständen stehen trügt und bringt in mir nur noch mehr Fragen hervor, die ich gerne stellen würde.

Ein Beitrag von Anna Meyer


[1] Cem: Name geändert.

[2] Önder: Namen geändert.

[3] Name geändert.

Ein Beitrag von Anna Meyer

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s